Bei
dem Begriff Ritter fällt vielen der Raubritter ein. Es hat auch unter den
Ledeburs rauflustige oder sehr streitbereite Herren gegeben. Es standen auch
einige, allein oder organisiert, in Fehde mit ihrem Landesherren, der ihnen
zumindest vermeintlich nicht das zugestand, was sie meinten beanspruchen zu können.
Gerechtigkeit und Staatsmacht waren eben auch schon damals nicht immer verständlich.
1422 z.B. vereinigten sich die bedeutendsten Dienstmannen im Osnabrücker Land,
darunter ein Domherr Heinrich Ledebur , mit der Burgmannschaft von Quakenbrück
und Osnabrück, der auch das Osnabrücker Domkapitel beitrat. Der Bund richtete
sich gegen den Bischof von Osnabrück, der die Auflösung des Bundes auch nicht
sofort durchsetzen konnte. - Wegelagernde Raubritter, die Reisenden -
insbesondere umherziehenden Kaufleuten - auflauerten und ihnen Geld und Waren,
ggf. auch das Leben nahmen, habe ich aber erfreulicherweise unter den Ledeburs
nicht entdeckt.
Die
Ledeburs haben sich weitgehend als treue Bedienstete ihrer Landesherren erwiesen
und bewährt. Diese Landesherren waren in ältester Zeit insbesondere die Bischöfe
von Osnabrück und Münster und die Grafen von Ravensberg und Tecklenburg, später
auch der Erzbischof von Köln und das Haus Hohenzollern, das 1607 Kleve, Mark
und Ravensberg, also unsere Urheimat, übernahm.
Die
Ledeburs wuchsen so zum Ausgang des Mittelalters in landesherrlichen, meist
zivilen Diensten zu einem der bedeutenden und einflußreichen Geschlechter in
Westfalen heran. Wenn ich hier die zivilen Positionen betone, dann geschieht das
im Gegensatz zu lebenslangen militärischen Karrieren. Den ersten General
brachte unsere Familie erst Anfang des 18. Jahrhunderts hervor, der übrigens in
braunschweigisch-wolfenbütteler Diensten stand. Ehe die Söhne adliger Häuser
zivile Laufbahnen einschlugen, hatten sie allerdings immer zunächst in jüngeren
Jahren Militärdienst geleistet - und meist auch studiert.
Ich
habe das Verleihen von Grundbesitz als Vergütung für dem Landesherren
geleistete Dienste schon angesprochen. Als Stammgut unserer Familie muß man Mühlenburg
in Spenge ansehen. Es wurde möglicherweise schon um 1300 an Heinrich I. zu
Lehen gegeben; 1468 ist es bei Heinrich IV. sicher nachgewiesen. Diesen Besitz
hat die Familie seitdem bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur besessen,
sondern auch als ständigen Wohnsitz bewohnt. Viele andere Besitze kamen hinzu
und gingen wieder aus der Familie. Teils wurden sie von Teilen der sich
verzweigenden Familie bewohnt, teils waren sie nur angelegtes Geld.
Zu
den Besitzern von Mühlenburg will ich noch einige Anmerkungen machen: Im
Mittelalter hatte die Mühlenburg zusammen mit der Werburg, die auch an die
Ledeburs verliehen war, und einer dritten Burg die Aufgabe, jeweils den
Witwensitz der Grafen von Ravensberg in Spenge zu schützen. Hier saßen also
die Ledeburs und dienten als Leibgarde der Mutter des regierenden Grafen.
Um
1690 trat dort übrigens ein sehr modern anmutender Vorgang ein: Die verwitwete
Anna v. Ledebur, geb. v. Varendorf, aus der später Wicheln genannten älteren
Linie der Familie, hatte keine leiblichen Erben. So adoptierte sie einen Neffen
aus der jüngeren Linie, Johann Albrecht aus dem Hause Königsbrück. Er erbte
den Stammsitz, der nun bei der jüngeren Linie blieb. Seine Adoptivmutter nahm
Johann Albrecht so vollständig in ihr Haus auf, daß er später am Erbe in Königsbrück
nicht mehr beteiligt wurde, obwohl er der älteste Sohn seiner leiblichen Eltern
war. Im Besitz der jüngeren Linie waren u.a. auch Arenshorst bei Bohmte und
Langenbrück.
Zur
älteren Linie zählten u.a. die Besitze Wicheln, Dincklage und Crollage und
auch schon früh Perutz in Böhmen. Haus Düsse bei Soest kam 1741 durch Heirat
an die Familie.
Die
Häuser auf den ledeburschen Besitzen waren wohl im wesentlich funktional, d.h.
sie boten Schutz vor der Witterung und vor Übergriffen böser Mitmenschen. Außerdem
waren sie Betriebsgebäude, bei denen sich die Bereiche Wohnen und Betrieb z.T.
unter einem gemeinsamen Dach befanden. Diese Häuser waren größer als die der
Bauern und Knechte, aber sie waren kaum Prestigeobjekte. Ob sie einem Angreifer
imponierten, wage ich nicht zu beurteilen. Immerhin waren es feste Häuser,
anfangs aus Fachwerk mit einer umgebenden Mauer, später waren auch die Häuser
aus Stein und alles - sehr ungesund - von Wassergräben umgeben. Hier lebten
Ratten und Mücken, aber ein Hindernis bei der Annäherung waren die Wasserläufe
auch.
Von
den alten Besitzen, die über viele Generationen in unserer Familie blieben, fällt
eigentlich nur Königsbrück aus dem Rahmen. Es ist m.W. auch der einzige
Ledebursitz, der schon früh als Schloß bezeichnet wurde; Mühlenburg erhielt
diese Bezeichnung erst im vorigen Jahrhundert, nachdem es durch Um- und Ausbau
des Wohnteils prunkvoller, nicht unbedingt schöner geworden war. Die im 18.
Jahrhundert an die gräfliche Linie der Familie gekommenen Häuser auf Krzemusch
und Milleschau waren Schlösser.
Ich
kehre noch einmal zu den Berufen zurück, in denen unsere Vorfahren
Verantwortung übernahmen. Die Ledeburs lebten auf ihren Gütern in Westfalen
und Böhmen und standen bei den verschiedenen geistlichen und weltlichen
Landesherren als Verwaltungsbeamte und Soldaten in Diensten. Zu ihrer Ausbildung
gehörte regelmäßig der Besuch von Universitäten in Deutschland und in den
Nachbarländern, vor allem Italien, Frankreich, Schweden und Holland. Der am häufigsten
vorkommende Titel neben landesherrlichem Rat war der des Drosten, eine etwa dem
heutigen Landrat vergleichbare Position, die aber mit der wichtigen zusätzlichen
Aufgabe verbunden war, in Krieg und Frieden die Belastung des Landes durch das
durchziehende Militär gerecht zu steuern. In den Garnisonstädten waren die
Soldaten bis ins vorige Jahrhundert häufig nicht kaserniert, sondern lebten als
Einquartierung in den Bürgerhäusern. Auf den Märschen in Krieg und Frieden
lebte das Heer aus dem Lande, d.h. nach der Tagesetappe nahm die Truppe Quartier
bei Gutsherren und Bauern und wurde dort samt ihren Pferden verpflegt und
untergebracht.
Der
Drost hatte dafür zu sorgen, daß die Lasten nicht immer die gleichen, z.B. die
an der Durchgangsstraße lebenden Landwirte trafen. Christian Heinrich Ernst war
der letzte Drost aus unserer Familie, er lebte zur Zeit Friedrichs des Großen.